Telefonseelsorger sind Hoffnungsträger
Ehekonflikte, Probleme innerhalb der Familie, Alkoholabhängigkeit, Geldsorgen, Selbstmordgedanken, Angst, Depression, Krankheit oder Einsamkeit: Wen seine Sorgen zu erdrücken drohen, gerade auch in ruhigen Zeiten oder des nachts, für den kann die Telefonseelsorge zu einem echten Segen werden. 24 Stunden jeden Tag, 365 Tage im Jahr stehen ausgebildete Personen zu einem telefonischen Gespräch zur Verfügung; und die Erfahrung zeigt, dass es oft schon Linderung bringt, wenn man seine Probleme einem anderen Menschen gegenüber aussprechen, in Worte fassen kann.
Dieses Angebot kann unter den Telefonnummern 0800/1110111 oder 0800/1110222 gebührenfrei erreicht werden. Die Menschen, die an den Telefonen die Anrufe entgegennehmen, sind Ehrenamtliche, die in unserer Region vom Diakonischen Werk Traunstein ausgesucht, ausgebildet und betreut werden. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, die von jedem viel Einfühlungsvermögen und Empathie erfordert, und zudem Lebenserfahrung und psychische Belastbarkeit voraussetzt. Daher liegt der Altersbereich von neuen Kandidaten zwischen 26 und 66 Jahren.
Um den Dienst an den Apparaten der Telefonseelsorge fachkundig ausüben zu können, ist eine kompetente Einführung notwendig. Die Diakonie übernimmt diese Aufgabe – und sucht aktuell wieder Interessenten für ihren Dienst. Im September beginnt ein neuer Kurs; dieser ist kostenlos, die Teilnehmer verpflichten sich aber im Gegenzug, mindestens drei Jahre zur Mitarbeit in der Telefonseelsorge zur Verfügung zu stehen. Fahrtkosten der Mitarbeiter werden erstattet. Anmeldungen nimmt Johanna Scheller entgegen: unter T +49 861 98980, M +49 170 9382841, E-Mail. Die studierte Religionspädagogin ist seit einem Jahr die Leiterin der Telefonseelsorge; sie bringt reiche Erfahrung in der Arbeit mit Ehrenamtlichen mit, hat unter anderem eine Nachbarschaftshilfe aufgebaut.
Der Kurs geht über ein Jahr. Er umfasst 30 Abendtermine, jeweils einmal pro Woche und zwei ganze Samstage. Die Ausbildung beinhaltet vier Schwerpunkte: Arbeit an der eigenen Person, Erarbeitung methodischer Hilfen für die Gesprächsführung, Erarbeiten von Grundwissen zu verschiedenen Problemfeldern sowie Bearbeitung und Praxis der Gesprächsgestaltung. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung werden die Mitarbeiter in der Regel zwei Mal im Monat für eine Schicht eingeteilt. Diese beträgt untertags viereinhalb Stunden, der Nachtdienst geht von 21.30 bis 8 Uhr morgens. Wie Johanna Scheller im Gespräch berichtet, wird das Gesprächsangebot der Telefonseelsorge sehr intensiv angenommen. Pro Tag gehen rund 33 Anrufe ein.
Wichtig ist – darauf im Kurs besonderer Wert gelegt – dass sich die Mitarbeiter der Telefonseelsorge die Probleme, mit denen sie von den Anrufern konfrontiert werden, nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Sie müssen in der Lage sein, bei allem Mitgefühl professionell damit umzugehen und sich auch abgrenzen können, um die Gespräche nicht in ihren privaten Alltag mitzunehmen. Nicht wenige der Mitarbeiter der Telefonseelsorge – die Mehrheit davon ist weiblich – haben in ihrer eigenen Lebensgeschichte bereits schwere Zeiten erlebt, aber dann auch selbst Hilfe erfahren, was sie letztlich umso mehr befähigt, mit den Anrufern in ein fruchtbares Gespräch zu kommen.
Dabei wollen und sollen die Mitarbeiter keineswegs gute Ratschläge erteilen. Zuhören und nachfragen ist hier die oberste Aufgabe. Denn für viele der Anrufer ist es einfach wichtig, überhaupt jemanden vorzufinden, mit dem sie reden können, dem sie ihr Herz ausschütten können und der ihnen zuhört, ohne gute Ratschläge erteilen zu wollen. Gleichzeitig verfügen die Mitarbeiter der Telefonseelsorge über ein fundiertes Wissen, wenn es darum geht, den Anrufern konkrete Hilfsangebote für ihre jeweilige Situation vorzuschlagen. So können sie die Anrufer auf der Suche nach eigenen Lösungen unterstützen.
Viele der in der Telefonseelsorge mitarbeitenden Menschen bestätigen, dass auch sie selbst von ihren Erfahrungen am Telefon profitieren. Dazu trägt auch die monatlich stattfindende Supervision bei. Bei diesen Einheiten werden einzelne Erfahrungen in der Gemeinschaft besprochen und belastende Inhalte miteinander und mit fachlicher Unterstützung aufgearbeitet. Doch nicht nur diese Supervisionen sind sehr geschätzt, sondern es wird auch gemeinsam gefeiert und das Gemeinschaftsgefühl der Ehrenamtlichen gestärkt.
Da die Mitarbeiter der Telefonseelsorge vollkommen anonym arbeiten, sind solche gemeinsamen Erlebnisse wichtig. Zudem freuen sie sich natürlich über positive Bemerkungen der Anrufer. Wenn man hört „Das hat mir jetzt so richtig gut getan“ oder „Ich glaube, dass ich jetzt schlafen kann“ ist das eine Befriedigung und eine reiche Belohnung dafür, dass sie ihre Freizeit für ihren Dienst opfern. Die Sinnhaftigkeit dieser Arbeit zu spüren, den Bedarf dafür wahrzunehmen und auch noch einiges für das eigene Leben mitzunehmen, motiviert viele immer wieder neu zum Weitermachen. So sind manche von ihnen schon seit 26 Jahren dabei, viele seit zwei Jahrzehnten – und das in einer Altersspanne von 46 bis etwa 80 Jahren.
Organisiert wird die Telefonseelsorge, die in Traunstein vor 31 Jahren gegründet wurde, inzwischen oberbayernweit. Neben der Stelle in Traunstein gibt es weitere in Rosenheim, Bad Reichenhall Mühldorf und München. Aktuell wird der oberbayerische Raum bis Ingolstadt und Augsburg erweitert. Die moderne Telefontechnik ermöglicht es, dass jeder Anrufer auch einen Ansprechpartner findet. Finanziert wird die Telefonseelsorge maßgeblich von der evangelischen Landeskirche, für die Stelle in Traunstein übernimmt das Diakonische Werk einen Teil der Kosten, und auch Spenden gehen für die Einrichtung ein.