“Pferd spiegelt Emotion des Kindes” – Reittherapie im Wilhelm-Löhe-Heim
„In der Reittherapie geht es vordergründig gar nicht um das Reiten, sondern um eine emotionale Kontaktaufnahme zum Pferd“, erklärt Brigitte Rau. Seit mehr als 15 Jahren ist die frühere Erzieherin als ausgebildete Reittherapeutin tätig und kennt daher den Nutzen, den diese Therapieform für die Kinder und Jugendlichen des Wilhelm-Löhe-Heims der Diakonie hat. „Viele unserer Kinder sind im Umgang mit den Pferden auf eine angenehme und lehrreiche Art und Weise genau mit den Themen konfrontiert, die ihnen im Alltag große Schwierigkeiten bereiten“, weiß Rau. Das zeige sich schon bei der Kontaktaufnahme. Ihren Beobachtungen zufolge begegnen die Pferde den Kindern generell mit einer gewissen Neugier. Zugleich reagieren sie unmittelbar auf deren Verhalten und spiegeln unbewusst deren Emotionen. Ist ein Kind ängstlich oder nervös ist, hat es wenig Vertrauen in sich selbst und in seine Fähigkeiten, wird dies in solchen Momenten gut erkennbar. Aufgrund dieser Beobachtungen gestaltet Brigitte Rau die Therapiestunde und berücksichtigt dabei den Entwicklungsbedarf des jeweiligen Kindes.
Lernerfolge in den Alltag übertragen
Da Pferde untereinander mit Körpersprache kommunizieren, muss diese im Umgang mit ihnen klar und eindeutig sein. Für die Kinder und Jugendlichen ist das eine große Herausforderung. „Wenn ich möchte, dass das Pferd etwas Bestimmtes macht, muss ich das körperlich vermitteln“, erläutert Brigitte Rau. „Beispielsweise indem ich das zu erreichende Ziel genau fokussiere oder in die Richtung sehe, in die ich gehen möchte, und mich dieser auch körperlich zuwende.“ Auf dem Sattel wiederum sei es wichtig, stabil in der Mitte und im Gleichgewicht zu sitzen. Gerade solche Dinge fielen den Kindern oft schwer. Beim Führen des Pferdes komme es zudem weniger auf die Arbeit mit den Zügeln als auf eine klare und wahrnehmbare Körpersprache an. Letztlich zeige der Reiter mit seinem Körper den Weg. Sitzt dieser schief und unsicher auf dem Pferd, kommen Impulse falsch an. Um diese Dinge zu lernen und sich weiterzuentwickeln, brauche es viel Übung und Ausdauer. „Dabei ist es hilfreich, dass Pferde nur im Hier und Jetzt leben und nicht nachtragend sind“, sagt Rau. Die Kinder zeigen sich in diesem Prozess meistens von ihrer besten Seite, da es ihnen wichtig ist, dass das Pferd sie mag. Seien dann auch noch Lernerfolge spürbar, führe das oft zu erkennbaren Verhaltensänderungen auch außerhalb der Reittherapie. Viele entwickeln dadurch mehr Selbstsicherheit, können sich besser und länger auf eine Tätigkeit konzentrieren, nehmen unbefangener Kontakt zu anderen auf und setzen sich auch im Alltag Ziele.
“Wäre ohne Hilfe von außen nicht finanzierbar gewesen”
Obwohl die Reittherapie seit Jahren ein fester Bestandteil der Angebote im Wilhelm-Löhe-Heim ist, wäre sie ohne Hilfe von außen nicht finanzierbar gewesen, so Rau. So sorgte am Anfang die Dr. Johannes Heidenhain-Stiftung für die Anschubfinanzierung. Zudem halfen in schwierigen Phasen unterschiedliche Personen und Organisationen. Beispielsweise spendete Sängerin Stefanie Hertel vor einigen Jahren ihr Reitpferd Pico. Das Pferd Filou steuerte der Förderverein für Behinderte bei. Speziell für ängstliche Kinder, die nicht so gut führen können, und für die kleineren Kinder, wurde nun das Pony Wicki gekauft. Ihre große Hoffnung sei es, so Brigitte Rau, dass die Leistungen der Reittherapie auch bei den Entgeltverhandlungen akzeptiert werden. Schließlich seien Nutzen und Erfolge dieser Therapieform nach all den Jahren offenkundig.