Intensive Eindrücke bei der Aktion Rollentausch
Arbeitseinsatz von MdL Ingrid Heckner in der Sozialpsychiatrie der Diakonie
Jeweils im November laden Einrichtungen und Verbände der Freien Wohlfahrtspflege Politiker zur Aktion „Rollentausch“ ein. Dazu wird tatsächlich die Rolle getauscht, indem Politiker in der Praxis mitarbeiten und Klienten persönlich kennenlernen.
Ein straffes Programm absolvierte Landtagsabgeordnete Ingrid Heckner. Zunächst erfolgte ein kurzer Rundgang durch die Räume des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi) Altötting in der Neuöttinger Straße. Wer psychisch belastet oder erkrankt ist, findet hier fachkundige Ansprechpartner und Unterstützung auf dem Weg zur Gesundung. Dieses Angebot der Diakonie beziehe Angehörige mit ein, berichtet Elisabeth Borst, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes Altötting, beispielsweise in Form der Angehörigengruppe, die erst vor kurzem gegründet wurde. Der große Bedarf der Angehörigengruppe habe alle überrascht, „sie ist der Renner“. Ebenfalls im Gebäude des SpDi Altötting beheimatet ist der Integrationsfachdienst. Dort wird geholfen, den Arbeitsplatz trotz einer psychischen Erkrankung oder Schwerbehinderung zu erhalten. Gezielt fragt Ingrid Heckner nach. Als ehemalige Berufsschullehrerin einer Förderberufsschule kennt sie die Herausforderungen des Integrationsalltags. Zudem berichtet sie von ihren Eindrücken aus den USA und Kanada. Dort werde Inklusion stark forciert, indem Klienten unbedingt in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.
Unmittelbar im Anschluss stand das Tageszentrum Neuötting mit dem angegliederten Spielwarenladen Schusserl auf dem Programm. Stolz informierten Edeltraud Bieringer und Elisabeth Stummvoll über ihre Tätigkeit als Verkäuferinnen des Spielwarenladens. Hier sind sie als Ansprechpartnerinnen für die Ladenbesucher tätig, wissen über ihre Waren genau Bescheid und beraten Kunden. In dieser Rolle gehe es eben nicht um psychische Probleme, sondern um einen ganz normalen Alltag, was auf dem Weg zur psychischen Gesundung sehr helfe.
Ergotherapeut Konrad Göbl führt durch den Bereich der Arbeitsgelegenheiten in der Einrichtung. Zusätzlich zum Spielwarenladen Schusserl bietet das Tageszentrum viele weitere Arbeitsanreize, wie beispielsweise den Wäscheservice oder Auftragsarbeiten für andere Einrichtungen und für Firmen. „Wir arbeiten hier sehr konzentriert genau nach Anleitung“, erläutert Göbl. „Im Hinblick auf die gewünschte zu erreichende Arbeitsstelle fördern wir gezielt die Konzentrationsfähigkeit, handwerkliche Fertigkeiten und den Umgang mit Kolleginnen und Kollegen.“ Aktuell werden große Buchstaben aus Holz gefertigt. Ein gewerblicher Betrieb beauftragte sie damit, die Kabelverbindungen von sogenannten Patchpanels, die für größere EDV-Netzwerke gebraucht werden, zu fertigen und im Anschluss die Funktionstüchtigkeit zu prüfen. Für die Klienten gehe es vor allem darum, sich mit diesen Einsätzen für die spätere berufliche Tätigkeit fit zu machen. Ein wichtiger Nebeneffekt sei es zudem, sich eine Art Taschengeld zusätzlich zum Regelsatz erarbeiten zu können.
Gleich im Anschluss an den Rundgang fand ein Beratungsgespräch von Stefan Feilkas, Diplom-Sozialpädagoge, mit einer Klientin des Projekts „Kompetent ins Arbeitsleben“ (KiA) statt. Die Klientin hatte der Teilnahme von Ingrid Heckner zugestimmt. Die KiA-Maßnahme möchte eine Rückkehr ins Arbeitsleben ermöglichen, indem zielgerichtet individuelle Stärken und Arbeitskompetenzen gefördert und verschiedene Arbeitsbereiche ausprobiert werden. Die betreffende Klientin nähert sich bereits dem Ende der Maßnahme. Im Beratungsgespräch sind nun die beruflichen Perspektiven und die weiteren konkreten Schritte zu klären.
„Sie kann den Übergang in eine Beschäftigung wirklich schaffen“, glaubt Heckner beim Auswertungsgespräch am Ende der Aktion Rollentausch. Nach ihrer Beobachtung ist sie zwar noch zu wenig selbstständig, dennoch werde sie schon bald auf eigenen Füßen stehen. „Alleine hätte sie das nicht geschafft“, ist sich Heckner sicher. Unabhängig davon wäre es ihrer Ansicht nach aber auch schon ein Erfolg, wenn jemand in so einer Lebenssituation eben nicht vereinsamt. „Vielleicht wäre ich für solch eine Arbeit die Falsche, mir persönlich gehen schwere Schicksale immer so nahe“, meint Heckner nachdenklich. Genau das sei die Kunst in der sozialpädagogischen Arbeit, erläutert Sepp Ramstetter, Fachbereichsleiter Sozialpsychiatrie, „sensibel zu bleiben, aber auch professionelle Distanz zu wahren“. Damit dies gelinge, helfe beispielsweise Supervision. Auf die Frage von Heckner, wie die Fachkräfte der Diakonie die Zusammenarbeit mit Jobcenter und Agentur für Arbeit bewerten, lobt Sepp Ramstetter stellvertretend KiA als ein Musterprojekt. Für dessen Erfolg sei die Freiwilligkeit der Teilnahme entscheidend gewesen. Viele wichtige Details wurden in partnerschaftlicher Atmosphäre mit Jobcenter und Agentur für Arbeit verhandelt und seien grundlegend für den Erfolg der Maßnahme. Letztlich komme es jedoch darauf an, dass nach einem Praktikum auch ein Beschäftigungsverhältnis folge. Gerade solche Dinge seien im Fokus der sozialpädagogischen Begleitung, sowohl im Projekt KIA als auch bei der sogenannten unterstützten Beschäftigung, hob Elisabeth Weiß hervor. Zudem achteten sie sehr darauf, dass der jeweilige Klient zu dem Betrieb passe, und der Betrieb wiederum gewillt sei, dem Klienten eine echte Chance auf eine spätere Anstellung zu geben.
Viele positive Eindrücke und Anregung sowie persönliche Gespräche mit Betroffenen nimmt Ingrid Heckner mit. Auch die immer wieder schwierige Finanzierungssituation kam zur Sprache. „Im Fachbereich Sozialpsychiatrie achten wir darauf, verschiedene Kostenträger zu haben, um finanziell angespannte Phasen bewältigen zu können“, berichtete Ramstetter. Am Beispiel der Finanzierung der sozialpsychiatrischen Dienste erläuterte er die besonderen Herausforderungen. Hier habe sich seit 30 Jahren nichts am ursprünglichen Zuschussmodell geändert. Damals sei es halt so gewesen, dass nur 80 Prozent der Kosten mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden und 20 Prozent der jeweilige Träger selbst – beispielsweise mit Hilfe von kirchlichen Mitteln – einbringen musste. Doch diese kirchlichen Mittel gebe es längst schon nicht mehr für die Finanzierung der sozialpsychiatrischen Dienste. „Folglich verlieren wir jedes Jahr 40 000 Euro, wenn wir diese so notwendige Beratung anbieten“, betont Ramstetter. Hier sei dringender Handlungsbedarf gegeben.