“Ich erinnere mich genau” – Thema Demenz auf anrührende Weise dargestellt
Einladung zum Theater – ein kostenfreies Angebot des Diakonischen Werks
„Ich kann mich doch so meinem Kind nicht antun. Das kannst du doch nicht wollen, Gott.“ Das sagt die Mutter. Und die Tochter ihrerseits seufzt: „Ich verstehe nicht, wie man es schafft, drei Mal in einer Woche in die Küche zu kommen, alle Herdplatten aufzudrehen und kurz darauf im Bett wieder einzuschlafen.“ Das sind Zitate aus dem Stück „Ich erinnere mich genau“, in dem die beiden Darstellerinnen das Thema einer demenziell bedingten Veränderung aufarbeiten. Das Diakonische Werk Traunstein organisiert eine Aufführung dieses Stücks am kommenden Dienstag, 25. April, um 19 Uhr im Gasthaus Oberwirt in Otting; Einlass ist ab 18 Uhr, mit Bewirtung, diese ruht jedoch während der Aufführung. Der Eintritt ist frei.
Das Stück erzählt liebevoll die Geschichte einer Mutter-Tochter Beziehung, die durch die Demenz-Erkrankung der Mutter auf die Probe gestellt wird. Mit anfänglichem Optimismus entscheidet sich Hannah, ihre Mutter zu pflegen. Die ersten Anzeichen der Demenzerkrankung erleben die beiden auf humorvolle Weise. Komische Situationen entstehen, so manches Geheimnis der Mutter wird gelüftet, Altes neu verarbeitet. Doch bis zum bitteren Ende machen beide auch die Abgründe der Demenzerkrankung durch. Und so finden sie erst zuletzt einen Weg, versöhnlich voneinander Abschied zu nehmen.
Das Stück ist 2013 entstanden, stammt aus der Feder des Autors Brian Lausund, der vor Jahren Oberspielleiter am Theater an der Rott war. Dort waren auch die beiden Schauspielerinnen Christine Reitmeier (die Mutter Martha) und Liza Riemann (die Tochter Hannah) einige Jahre Ensemblemitglieder.
Dass das Diakonische Werk Traunstein diese Aufführung organisiert und kostenfrei anbietet, ist einerseits ein Angebot und ein Dank an die Mitarbeitenden sowie an alle, die sich in der Pflege engagieren, soll aber andererseits auch ein Anstoß dazu sein, das oftmals verdrängte Thema auf eine lockere Weise zu thematisieren. Neben Schmerz und Trauer, die in dem Stück zum Ausdruck kommen, gibt es auch eine ganze Reihe von Szenen, die zum Schmunzeln anregen. Den rund 200 Mitarbeitenden der Diakonie im Bereich der Altenhilfe wird damit die Gelegenheit gegeben, ihre schwere und anspruchsvolle Arbeit auch einmal von einer anderen Warte aus zu sehen. Und in einem Gespräch mit den Schauspielerinnen, mit Ärzten, Pflegefachkräften und anderen mit Demenz befassten Menschen, soll das Thema nach der Aufführung vertieft und auf Fragen und Rückmeldungen der Besucher eingegangen werden.
Bei einem Pressegespräch stellten Repräsentanten des Diakonischen Werks ihre Idee näher vor: Andrea Fischer, die Leiterin der Diakoniestation Freilassung und des Pflegestützpunktes Bad Reichenhall, Sepp Ramstetter vom Fachbereich Sozialpsychiatrie, zusätzlich auch Leiter des Projekts „Betriebliches Gesundheitsmanagement“, Kurt Schmoll, Fachbereichsleiter Seniorenhilfe, und Klaus Rieder, Referent für Öffentlichkeitsarbeit. Sepp Ramstetter meinte in seiner Einführung, „über ein kulturelles Ereignis in einem ganz anderen Rahmen“ könne man leichter über ein Thema ins Gespräch kommen, das man sonst gern ausblende und über das zu reden oft schwer falle. Kurt Schmoll fügte an, dass man, angeregt von einem liebenswerten, humorvollen Theaterstück, die Verdrängungsmechanismen eher durchbrechen und betroffenen Menschen damit Mut machen könne. Denn schließlich könne jeder, der sich das Stück jetzt anschaue, möglicherweise selbst zu einem Betroffenen werden – und nicht erst in hohem Alter.
Neben den Herausforderungen, die Demenz an die unmittelbar Beteiligten wie Pfleger und Pflegebedürftige stellt, sieht man beim Diakonischen Werk auch die gesamtgesellschaftliche Situation, die Fachbereichsleiter Schmoll in folgenden Punkten zusammenfasst: „skandalöse Entgelte“, „knallharte Kassen“ und ein ständiges Manövrieren „im Notmodus“, sowohl in den stationären Einrichtungen als auch in der ambulanten Pflege. Dabei steige die Zahl der Betroffenen sprunghaft an. Und, wie Andrea Fischer beschreibt, es werde immer schwieriger, ausreichend geeignete Kräfte zu finden, auch der Nachwuchs sei ein großes Problem.
So bildet das Theaterstück beim Diakonischen Werk zusätzlich ein Mosaiksteinchen in ihrem Projekt „Betriebliches Gesundheitsmanagement“. Dabei geht es laut Ramstetter darum, dafür Sorge zu tragen, dass die Fachkräfte trotz ihrer schweren Arbeit gesund bleiben, und auch die Suche nach neuen Mitarbeitern spielt in dieses Thema hinein. In Fragebögen sind die Mitarbeiter im vergangenen Jahr aufgefordert worden, sich zu äußern, wo sie Probleme sehen. In Workshops und Fortbildungen, in Gesprächen und bei Vorträgen wurde daraufhin versucht, konfliktträchtige Themen erstens zu thematisieren und in offener Atmosphäre zu besprechen und zweitens, soweit möglich, Lösungen zu finden. Und so wird das Theaterstück, das für Mitarbeiter und für alle, die sich für die Thematik interessieren, als Teil der Bemühungen gesehen, sich mit der Arbeitssituation in der Pflege auseinanderzusetzen. Zugleich soll es den damit befassten Menschen Mut zum Leben und zu ihrer Arbeit machen, indem es auf ungewöhnliche Weise ein Thema aufgreift, das vielfach Angst macht, wie Andrea Fischer zusammenfasst.