Erfolgreicher ehemaliger Heimschüler
Aus Heimkind wird erfolgreicher junger Mann
Traunreut/Waging. Von frühester Kindheit an lebte Cristian in einem Heim, machte schwierige Jahre durch und wusste lange Zeit nicht so recht, wo er eigentlich hingehört. Heute hat der 22-Jährige eine abgeschlossene Ausbildung als Koch in der Tasche und arbeitet in einem Hotel in Waging am See. „Ich bin sehr stolz auf das, was ich geschafft habe“, erklärt er im Gespräch mit der Heimatzeitung.
Die familiären Verhältnisse von Cristian waren nie einfach. Er ist in München geboren, war dort in einem Waisenhaus untergebracht, obwohl er Vater und Mutter hatte, und kam mit sechs Jahren nach Traunreut ins Wilhelm-Löhe-Heim. Bis er sich dort zuhause und angenommen fühlte, dauerte es. Im Wilhelm-Löhe-Förderzentrum besuchte er zeitweise die Stütz- und Förderklasse, da er sich mit dem Lernen schwer tat und vor allem vom Verhalten her auffällig war. Auch eine Schulbegleitung war zeitweise notwendig. „Ich war wirklich nicht einfach“, gibt er selber zu. Er war hyperaktiv, konnte nicht stillsitzen, tobte aus kleinsten Anlässen heraus, hatte daher häufig Stress und Ärger mit seinen Mitschülern. Die Lehrer und Erzieher taten sich schwer, an ihn heranzukommen. Sie bemühten sich aber immer wieder aufs Neue, sein Selbstwertgefühl zu steigern und ihm zu zeigen, dass er angenommen und geliebt wird, wie er ist. Im Heim war er einige Zeit in der Intensivgruppe, wo nur fünf Kinder zusammenleben. Später war es möglich, dass er in eine heilpädagogische Gruppe umzog, in der neun Kinder und Jugendliche waren. „Cristian hat sich durchgebissen, hat schwer gekämpft“, erinnert sich Monika Möhr-Jundt, Geschäftsbereichsleiterin im Wilhelm-Löhe-Heim.
“Da hat es Klick gemacht!”
Eine besonders schwierige Zeit für den Buben war 2010, als sein Vater an Weihnachten verstarb, zu dem er zumindest noch ab und zu Kontakt gehabt hatte. Seine Mutter sah er zu dem Zeitpunkt kaum. „Ich fühlte mich damals total allein, wusste nicht, wo ich hingehöre.“ Als Knackpunkt bezeichnet er dann wenige Jahre später eine Reise nach Rumänien, die als Freizeit mit seiner Gruppe aus dem Heim organisiert wurde. Unter der Überschrift „Wurzelsuche“ ging es in den Ort, wo seine Mutter herstammt. Der Bub konnte seine Oma besuchen, ging ans Grab seines Opas. „Richtig berührt hat mich damals, als ich sah, dass meine Oma ein Bild von mir im Regal stehen hatte. Da hat es Klick gemacht.“ Von dem Moment an beschloss er, dass er es schaffen würde, strengte sich in der Schule an und machte im Anschluss eine Ausbildung zum Beikoch bei der Jugendsiedlung.
“Seine Stärke ist sein großes Herz”
Cristian lernte Hilfe anzunehmen und zeigte sich dankbar dafür. „Er hat ein großes Herz, das ist seine Stärke“, sagt Monika Möhr-Jundt. Das Wilhelm-Löhe-Heim war 15 Jahre lang sein Mittelpunkt, sein Zuhause, wo er sich sicher fühlte und Freundschaften schloss, die noch heute Bestand haben. Als Jugendlicher war er ein Vorbild für die jüngeren Kinder im Heim, war wie ein großer Bruder, der positiv auf sie einwirkte.
Nach seiner Ausbildung zum Beikoch wollte Cristian noch weiterkommen und begann eine zweite Berufsausbildung zum Koch. Im Wilhelm-Löhe-Heim kann man normalerweise bis 18 Jahre bleiben oder länger, wenn man eine Ausbildung absolviert. Da es für Cristian aber schon die zweite war, durfte er nicht im Heim wohnen bleiben. So leid es ihnen tat, wie Monika Möhr-Jundt erläutert, sie mussten den Buben quasi auf die Straße setzen. Zum großen Glück hat sich aber sein Chef und Ausbilder seiner angenommen und ihm ein Zimmer in seinem Hotel zur Verfügung gestellt. Dort lernte Cristian selbstständig zu leben und legte vor wenigen Wochen im Februar erfolgreich seine Gesellenprüfung ab. Er wurde übernommen und arbeitet nun als Koch in dem Beruf, der ihm sehr viel Spaß macht.
Hin und wieder schaut der junge Mann noch in Traunreut vorbei und erst kürzlich berichtete er voller Stolz über seinen erfolgreichen Ausbildungsabschluss. „Wenn wir mitkriegen, dass unseren ehemaligen Heimbewohnern etwas gelingt und sie Erfolg haben, freut uns das immer sehr“, betont Monika Möhr-Jundt. Für viele seien das Heim, die Erzieher und ehemaligen Mitbewohner auch später als junge Erwachsene noch eine wichtige Anlaufstelle. Manche hielten den Kontakt, weil sie sich hier über Jahre zuhause fühlten und Sicherheit fanden oder auch weil sie keine anderen Bindungen haben. Auf Cristian ist Moni, wie er sie nennt, besonders stolz, „er hat einen riesigen Schritt geschafft“.
Text: Pia Mix, Freie Berichterstatterin