„Die letzten Monate hatten es in sich“ – Diakonisches Werk sieht sich vor großen Herausforderungen
Traunstein. Einrichtungen wie die Fachakademie in Mühldorf oder das Wilhelm-Löhe-Förderzentrum in Traunreut platzen aus allen Nähten. Die Umsetzung des neuen Pflegestärkungsgesetzes ist für die Verantwortlichen eine immense Herausforderung. All die vielen Gebäude des Diakonischen Werks wollen unterhalten werden, Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter sollen gefördert werden, neue Fachkräfte zu finden wird immer schwieriger – eine Fülle an Aufgaben, die sich der Leitung der Diakonie in Südostoberbayern in den Landkreisen Traunstein, Berchtesgadener Land, Mühldorf und Altötting stellt. Andreas Karau, der neue Geschäftsführer des Diakonischen Werks, berichtete bei der Jahreshauptversammlung im Seniorenzentrum Wartberghöhe in Traunstein über die Aufgaben-Schwerpunkte und fasste am Ende seines ersten, vollständig von ihm verantworteten Arbeitsjahres zusammen: „Die letzten Monate hatten es in sich.“
Karau widmete sich dann nacheinander den einzelnen Fachbereichen; in jedem von ihnen ist viel passiert. Aus dem Fachbereich Kinder, Jugend und Behindertenhilfe hatte Karau zu berichten, dass der Südbau des Wilhelm-Löhe-Zentrums in Traunreut nach langer Sanierung inzwischen fertiggestellt ist und dass in Schlehberg bei Kirchweidach in einem sanierten Bauernhof Räume für eine Mädchenwohngruppe geschaffen wurden. Dagegen sei die Trostberger Wohngruppe für unbegleitete Minderjährige geschlossen worden. Ihr jeweils fünfjähriges Bestehen konnte das Wunschgroßelternprojekt und der vollstationäre Bereich des Mutter-Kind-Wohnens in Traunstein begehen.
Im Fachbereich Schule und Bildung verwies Karau auf die Fachakademien in Mühldorf und Traunstein, in denen über 700 junge Menschen zu Erziehern und Kinderpflegern ausgebildet werden. Da die Studentenzahl allein in Mühldorf über 500 beträgt, reichen die vorhandenen Räumlichkeiten nicht mehr aus. Daher hofft das Diakonische Werk auf eine Lösung des Raumproblems zusammen mit dem Landkreis Mühldorf.
Erweiterungsbedarf gebe es auch in Traunreut im Wilhelm-Löhe-Förderzentrum, das täglich von rund 280 Schüler besucht werde. Die vorhandenen Möglichkeiten werden aktuell in einem Planungsprozess untersucht, der sich an einem modernen pädagogischen Konzept orientiere.
Beratung steht im Mittelpunkt des Fachbereichs Soziale Dienste, ein Angebot, in das aktuell viel Geld gesteckt werde, wie Karau ausführte. Vor allem geht es dabei um die Asyl- und Migrationsberatung, in der, wie der Geschäftsführer betonte, tolle Arbeit geleistet werde. Als neue Geschäftsbereichsleiterin sei Britta Barth eingeführt worden. Im Fachbereich Sozialpsychiatrie erwähnte Karau die Fertigstellung des Wohnhauses in Burgkirchen als Übergangseinrichtung, den wichtigen Krisendienst Psychiatrie und die Einrichtung einer Ergotherapie-Praxis in Waldkraiburg.
Eine große Herausforderung im Bereich der Pflege sehen die Verantwortlichen der Diakonie Service und Pflege gGmbH in der Umsetzung des neuen Pflegestärkungsgesetzes. Als Konsequenz des Gesetzes würden mehr hauswirtschaftliche Leistungen und Betreuungen gebucht. Das Angebot Essen auf Rädern komme sehr gut an; dessen Inanspruchnahme habe sich nach einer Akquise-Maßnahme verdoppelt. Die Diakonie sei mit diesem ihren Essensangebot an 365 Tagen im Jahr der einzige noch verbliebene Anbieter im Landkreis Traunstein, der frisch gekochtes Essen liefert: „Viele Anbieter haben aufgegeben, wir haben erweitert“, so Karau.
In dem Projekt „Zeit für die Seele“ werden zusätzliche Mitarbeiter finanziert, die – wie etwa im Chiemgau-Stift in Inzell – die Pflegekräfte entlasten sollen; dadurch sei es hier gelungen, dass alle Küchen in den einzelnen Wohngemeinschaften wieder genutzt werden. Bewohner können beim Kochen mithelfen, falls sie das wünschen. Auch für das Seniorenzentrum Wartberghöhe ist im Rahmen dieses Projekts, das von der Dieter und Edith Seidel Stiftung gefördert wird, ein zusätzlicher Mitarbeiter vorgesehen.
Abschließend erwähnte Karau noch das betriebliche Gesundheitsmanagement, das von Sepp Ramstetter koordiniert wird: Hier geht es darum, nach Möglichkeiten zu suchen, wie das Wohlbefinden der Mitarbeiter gefördert und ihre Gesundheit erhalten werden kann. Weitere Ziele, an denen derzeit gearbeitet wird, seien die Optimierung der Unternehmens- und Personalführung, das betriebliche Umweltmanagement, das mit der EMAS-Zertifizierung im Herbst seine feste Basis bekommt, und ganz und gar nicht zuletzt die Bemühungen um Fachkräfte in der Pflege und in den pädagogischen Bereichen. Für die nächste Zeit sieht Karau manch eine „Wolke auf uns zukommen“ – beispielsweise die Auswirkungen des Pflegestärkungs- und des Bundesteilhabegesetzes. Beide müssten umgesetzt werden, und beide böten Chancen ebenso wie Risiken. Aber, so der Geschäftsführer, „wir sind fachlich, strukturell und personell gut aufgestellt“.
All die Angebote des Diakonischen Werks wollen finanziert sein – und die Situation stellt sich für das vergangene Jahr zufriedenstellend dar mit einem Wachstum im operativen Geschäft. Wie Karau in seinem Finanzbericht erläuterte, beläuft sich das Jahresergebnis auf plus 12000 Euro, die Bilanzsumme hat sich von 31 auf 34,4 Millionen Euro erhöht. Das Diakonische Werk sei damit „seit Jahren recht ordentlich unterwegs“. Die gemeinnützige GmbH, die den gesamten Bereich Altenhilfe umfasst, hat laut Simon Wadislohner, dem Bereichsleiter Finanzwesen, ein Jahresergebnis von 76000 Euro erzielt, bei einer Bilanzsumme von 1,1 Millionen Euro. Das Diakonische Werk hatte zum Jahreswechsel exakt 1000 Mitarbeiter, ein Plus von 62 gegenüber dem Jahr davor, davon 585 in Vollzeit. 651 Personen wurden stationär betreut, 5856 Beratungen fanden statt, dazu gab es – vor allem im Bereich Asyl – 17262 „Kurzkontakte“.
Auch der Vorsitzende des Kuratoriums des Diakonischen Werks, Dekan Peter Bertram, sprach von „zwei spannenden Jahren“, die man hinter sich habe; dabei sei gerade die Gestaltung des Übergangs vom bisherigen auf den neuen Geschäftsführer mit viel Arbeit für die Kuratoriumsmitglieder verbunden gewesen, die eine hohe Verantwortung für die Mitarbeiter und die Finanzen zu tragen hätten. Auch Bertram sprach das Problem an, ausreichend geeignete Mitarbeiter zu finden. Der Bedarf sei nur dadurch zu lösen gewesen, indem in der Seniorenhilfe auch Leiharbeitskräfte zum Einsatz kamen: „Das musste sein. Die Bewohner haben ein Recht auf den Pflegeschlüssel.“ Letztendlich sprachen die Mitglieder dem Vorstand und dem Kuratorium einstimmig die Entlastung aus. Die Finanzen der Diakonie hatten bei der Prüfung durch die unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon, die sich über zehn Tage hingezogen hatte, den „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk“ erhalten.
Geschäftsführer Karau hatte zu Beginn seiner Ausführungen die Aufgabenbereiche des Diakonischen Werks unter die Überschrift des Jahresmottos „Hier kommst du an“ gestellt. Die Mitarbeiter der Diakonie „helfen Menschen in Not und sorgen dafür, dass sie gut in unserer Gesellschaft ankommen“: Das ist nach Karaus Überzeugung das Ziel, das über der ganzen Arbeit stehe. Auch er selber sei im August des vergangenen Jahres neu angekommen – „voller Vorfreude, Zuversicht und gespannter Erwartung“. Peter Bertram als Kuratoriums-Vorsitzender hatte das Jahresmotto als roten Faden bereits vorgegeben: Man müsse „die Menschen spüren lassen, dass sie alle einzigartig sind, und wir müssen die Menschen die Erfahrung machen lassen, dass sie mit ihren Stärken und Defiziten angenommen sind. Dann kann sich etwas verändern – hin zum Guten.“
Autor: Hans Eder, freier Journalist