Ideelle Aufgaben und finanzielle Rahmenbedingungen schwer vereinbar
Als Thomas Prieto Peral im November 2023 sein neues Amt als Regionalbischof im Kirchenkreis München und Oberbayern antrat, formulierte er, was ihm wichtig ist: „Ich möchte unserer Kirche Zuversicht geben in den schwierigen Zeiten des Wandels und all den Menschen den Rücken stärken, die sich haupt- und ehramtlich für den Glauben engagieren. Darum möchte ich viel vor Ort sein in Gemeinden und Dekanatsbezirken und hören, was die anstehenden Themen sind.“
Diesen Worten lässt er Taten folgen, wie sein Besuch des Evangelisch-Lutherischen Dekanats und Diakonischen Werks Traunstein zeigte. Zu Beginn schilderte Diakonie-Vorstand Andreas Karau, wie sich das Diakonische Werk Traunstein im Laufe von 75 Jahren zu einem sozialen Träger entwickelt hat, der in den Landkreisen Traunstein, Berchtesgadener Land, Altötting und Mühldorf Einrichtungen, Dienste und Hilfen für Menschen jeden Alters in unterschiedlichen Lebenslagen bietet. Mittlerweile gehört die Diakonie in Südostoberbayern mit ihren 1200 Mitarbeitenden in rund 60 Dienststellen bei einem Jahresumsatz von 60 Millionen Euro zu einem der größeren mittelständischen Unternehmen im Dekanat. Daraus erwächst auch eine große Verantwortung, betonten die Diakonie-Vorstände Andreas Karau und Martin Schmid, denn „Auftrag von Diakonie und Kirche ist es, gemeinsam mit Politik und Kooperationspartnern den Sozialraum in der Region zu gestalten“. Wie das konkret erfolgt, erläuterten sie anhand von Beispielen: So bilden die Fachakademien für Sozialpädagogik in Mühldorf und Traunstein aktuell rund 700 Studierende zu staatlich anerkannten Erziehern aus, die in der Region dringend gebraucht werden. Das Wilhelm-Löhe-Zentrum Traunreut beherbergt nicht nur eine heilpädagogische Tagesstätte und ein Heim für Kinder und Jugendliche mit Handicap, sondern auch ein Förderzentrum mit derzeit rund 400 Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf. Eine besondere Herausforderung sei in diesem Zusammenhang der anstehende Neubau des Schulgebäudes, der mit rund 80 Millionen Euro zu Buche schlagen werde, betonte Karau. Da die Regierung von Oberbayern die förderfähigen Kosten trage, sei es von existenzieller Bedeutung, die diesbezüglichen Vorgaben exakt einzuhalten.
Diakon Robert Münderlein, Fachbereichsleiter Soziale Dienste erläuterte, wie anspruchsvoll es für eine armutsorientierte Diakonie ist, den Hilfebedarfen der hier lebenden Menschen gerecht zu werden, ohne selbst in eine finanzielle Schieflage zu kommen. „Ich bin für den Bereich der Diakonie verantwortlich, der eigenes Geld mitbringen muss, um arbeiten zu können“, betonte Münderlein und nennt Beispiele: Die Telefonseelsorge Traunstein mit rund 50 ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die rund um die Uhr erreichbar ist und nur mit Hilfe von kirchlichen Mitteln und der Unterstützung des evangelischen Dekanats finanziert werden kann. Die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit, die sich ausschließlich über kirchliche Mittel und Gelder der Diakonie finanziert, mit den zahlreichen Beratungsangeboten und Hilfen für Menschen in allen Lebenslagen. Der gesamte Bereich der Asyl- und Migrationsberatung, dessen Zuschüsse bei Weitem nicht kostendeckend sind. Oder die schon seit 20 (!) Jahren bestehende Fachstelle gegen sexuelle Gewalt aus dem Fachbereich Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe, die ausschließlich mit Hilfe von Spenden und Mitteln der Diakonie betrieben wird.
Dekan Peter Bertram, Vorsitzender des Kuratoriums des Diakonischen Werks Traunstein, bestätigte den schwierigen Spagat zwischen einem breit gefächerten Hilfeangebot der Diakonie und den finanziellen Rahmenbedingungen. Da es Aufgabe des Kuratoriums sei, gerade auch auf die Zahlen zu schauen, stelle sich immer wieder heraus, wie schwer ideelle Aufgaben und finanzielle Vorgaben miteinander zu vereinbaren sind.
Besonders ärgerlich wird es, berichtete Vorstand Martin Schmid, wenn durch zunehmende Sekundärprozesse, wie EU-Taxonomie, Hinweisgeberschutzgesetz und vielen weiteren Bestimmungen, die umgesetzt werden müssen, hohe zusätzliche Kosten entstehen, ohne die zur Umsetzung erforderlichen Mittel bereitzustellen.
Regionalbischof Thomas Prieto Peral betonte die enge Zusammengehörigkeit von Kirche und Diakonie. Die letzte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe gezeigt, dass viele Menschen die sozialdiakonische Arbeit der Kirchen sehr schätzten. Im Gespräch kam auch die geringer werdende kirchliche Bindung von Mitarbeitenden zur Sprache und die Frage, wie auf gute Weise evangelische Werte thematisiert werden können. Diakonie gebe als soziales Wirken der evangelischen Kirche täglich neu ein überzeugendes Beispiel für christliches Handeln, lobte der Regionalbischof abschließend.